Brasilien bringt sich in Stellung, um sich ein großes Stück vom globalen Rechenzentrumsmarkt zu sichern. Mit der Ankündigung eines gigantischen 65-Milliarden-Dollar-Projekts für eine KI-Stadt in Rio de Janeiro und weitreichenden Steuererleichterungen auf Bundesebene signalisiert das Land seinen Anspruch, zu einem führenden Standort für digitale Infrastruktur zu werden.
Das Projekt „Rio AI City“, das vergangene Woche durch eine Absichtserklärung zwischen der Stadtverwaltung und zentralen Bundesinstitutionen wie der Entwicklungsbank BNDES offiziell wurde, soll bis 2032 eine Rechenzentrumsleistung von 3 Gigawatt bereitstellen. Geplant ist der Standort im Stadtteil Barra da Tijuca, wo laut Bürgermeister Eduardo Paes besonders günstige regulatorische und steuerliche Rahmenbedingungen herrschen.
„Wir haben die Unterstützung der BNDES, saubere Energie, ein starkes Glasfaser- und Kabelnetz – und vor allem: menschliches Kapital“, betonte Paes bei der Unterzeichnung des Memorandums.
Die Initiative kommt zur rechten Zeit. Nach Einschätzung des Finanzministeriums könnte Brasilien in den kommenden zehn Jahren Rechenzentrumsnachfrage von bis zu 10 Gigawatt anziehen. Der besondere Vorteil des Landes: seine fast vollständig erneuerbare Energieversorgung. In anderen Ländern wie Irland oder dem US-Bundesstaat Virginia steht der Ausbau neuer Rechenzentren zunehmend unter öffentlichem Druck wegen des hohen Stromverbrauchs – ein Problem, das Brasilien dank seiner grünen Strommatrix nicht hat.
„Unser Energiemix ist sauber, wir erhöhen weder die Stromrechnung noch den CO₂-Ausstoß“, erklärte Igor Marchesini, Sonderberater im Finanzministerium, auf dem Energy Summit 2025.
Brasilien hat sein Ziel, bis 2030 mindestens 84 % des Stroms aus erneuerbaren Quellen zu beziehen, bereits vorzeitig erreicht. Laut dem aktuellen Ausbauplan der Energiebehörde sollen bis 2030 allein die Solarkapazitäten auf 47 Gigawatt und Windkraft auf 31 Gigawatt steigen.
Auch steuerlich will die Regierung ein Zeichen setzen: Eine geplante Maßnahme soll Rechenzentren Steuererleichterungen von bis zu 52 % verschaffen. Der Fokus liegt auf dem strukturschwächeren Nordosten des Landes, wo überschüssige Energiekapazitäten genutzt und gleichzeitig regionale Ungleichheiten abgebaut werden könnten.
Die Entwicklungsbank BNDES plant zudem einen eigenen Fonds für Rechenzentren und KI-Infrastruktur, mit einem Startvolumen zwischen 90 und 180 Millionen US-Dollar. Langfristig soll das Fondsvolumen – inklusive privater Mittel – auf bis zu 900 Millionen steigen. Seit 2023 hat die Bank bereits über 300 Millionen in den Sektor investiert.
Doch es gibt auch mahnende Stimmen aus der Branche. Alessandro Lombardi, Geschäftsführer von Elea Data Centers, warnt vor regulatorischer Überfrachtung. „Drei Gesetzesentwürfe gleichzeitig helfen niemandem – wir brauchen klare, verständliche Regeln, sonst bleiben die Investoren aus“, so Lombardi, dessen Unternehmen bereits in Rio tätig ist und ein 80-Megawatt-Zentrum bis 2026 plant.
Parallel dazu konkretisiert sich die nationale KI-Strategie Brasiliens. Mit Investitionen von über 4 Milliarden Dollar bis 2028 und bereits laufenden Maßnahmen will die Regierung nicht nur technologisch mithalten, sondern gezielt sozioökonomische Entwicklung fördern.
„Künstliche Intelligenz ist nicht nur ein Instrument für Innovation – sie ist eine Frage der Souveränität“, betonte Wissenschaftsministerin Luciana Santos. „Unser Ziel ist Wachstum mit sozialer Gerechtigkeit.“
Die Kombination aus erneuerbarer Energie, politischem Willen und wachsender globaler Nachfrage schafft für Brasilien eine historische Chance, zur technologischen Drehscheibe Südamerikas zu werden. Doch ob das gelingt, wird davon abhängen, ob das Land eine verlässliche Regulierung mit Investorenfreundlichkeit in Einklang bringen kann – ohne den ökologischen Vorteil aus der Hand zu geben, der es weltweit so einzigartig macht.
Lassen Sie uns gemeinsam die nächsten Schritte erkunden.